Diverstiy, Equity & Inclusion

„Die größten Barrieren sind in den Köpfen der Menschen"

Katja Dittmann am Schreibtisch
Zu Besuch bei der Wahlmünchnerin in ihrem BayWa Büro.
Als Mensch mit Behinderung in der BayWa: HR-Praktikantin Katja Dittmann erzählt von ihren Erfahrungen im Arbeitsalltag

Inklusion im Fokus: Katja Dittmann (42) lebt seit ihrer Geburt mit einer spastischen Tetraparese, einer Bewegungsstörung, die durch Schäden des Gehirns und des Rückenmarks ausgelöst wird. Die ausgebildete Bürokraft arbeitet bei der Stiftung Pfennigparade und macht seit Anfang Mai ein Praktikum in der Personalabteilung in der BayWa Zentrale: Das halbe Jahr möchte sie nutzen, um die Konzernwelt kennenzulernen. Ein Gespräch über das Ablegen von Vorurteilen, Barrierefreiheit und den Mut, etwas Neues zu beginnen.  

Wie sprechen Sie von Ihrer Krankheit? Als Handicap? 

Katja Dittmann: Ich persönlich spreche von einer Behinderung, das ist für mich am klarsten.  

Was hat Sie dazu bewegt, in die freie Wirtschaft zu gehen? 

Ich wollte einen Tapetenwechsel. Seit 20 Jahren arbeite ich in der Pfennigparade, dort haben wir alle ein Handicap. Meines ist, dass ich manchmal undeutlich spreche und meine Bewegungen eingeschränkt sind. Es gibt oft nur ein Thema, wenn viele Menschen mit Behinderung an einem Ort sind: Was alles nicht möglich ist. Aber das halte ich für falsch, weil trotzdem so viel möglich ist. Ich wollte etwas anderes ausprobieren, mich auf den freien Arbeitsmarkt wagen. Ich bin froh über die Chance, mich in diesem halben Jahr zu beweisen und mich weiterentwickeln zu können. Mit den Aufgaben, die ich nun übernehme, kann ich meine EDV-Kenntnisse noch weiter verbessern und auch neue Menschen kennenlernen. 

Welche Erfahrungen haben Sie bisher bei der BayWa gewonnen? 

Die Menschen gehen sehr offen auf mich zu – und genauso mache ich das auch: Ich sage beim ersten Kennenlernen immer: „Wenn ich mal zu undeutlich spreche und Sie mich nicht verstehen, fragen Sie gerne nach." Das ist nicht unhöflich, diese Offenheit ist so wichtig für unser Miteinander. Egal, auf wen ich hier bereits getroffen bin: Ich wurde von allen herzlich empfangen. 

  • Katja Dittmann am Aufzug

Wie steht es um die Barrierefreiheit? 

Ich war überrascht, wie gut die BayWa aufgestellt ist. Im Rollstuhl kann ich mich hier weitestgehend frei bewegen. Es sind Kleinigkeiten wie der Touchscreen am Aufzug, der den Alltag für mich maßgeblich erleichtert. Aber um auf die Toilette gehen zu können, muss ich ins Erdgeschoss oder den 20. Stock. Dort sind die zwei einzigen Behindertentoiletten im Gebäude. Das ist dann eine kleine Reise für mich, denn ich arbeite im neunten Stock. Grundsätzlich sind die Menschen sehr hilfsbereit. Klar, Barrierefreiheit ist wichtig, aber noch wichtiger ist der zwischenmenschliche Umgang. Die größten Barrieren sind in den Köpfen der Menschen.  

Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Leben geprägt? 

Ich bin in Leipzig aufgewachsen, damals war das noch eine andere Zeit. Von dieser Offenheit, die ich heute erleben darf, war dort keine Spur. In Leipzig hat es sich oft angefühlt, als wären Behinderte Außerirdische, nicht wirklich Teil der Gesellschaft. Ich erinnere mich an eine Situation, als ich mit meinem Partner am Bahnhof in meiner Heimat war: Eigentlich wollten wir eine kleinere Gruppe nur etwas fragen. Anstatt zu antworten, haben sie sich umgedreht, gelacht und sich über meine Art zu sprechen lustig gemacht. Das ist jetzt 20 Jahre her, aber es ist schwer zu vergessen. 

  • Katja Dittmann am Arbeitsplatz

Woher nehmen Sie Ihren Mut, Dinge anzupacken? 

Ich musste von klein auf in den Kindergarten, der weit weg von zu Hause war. Als Kind war ich unter der Woche im Internat, in einer Schule für Körperbehinderte. Nur am Wochenende war ich zu Hause. Oft habe ich mich einsam gefühlt. Aber als Erwachsene sehe ich das nochmal mit anderen Augen: Das hat mir Selbstständigkeit beigebracht. 

Vor über 20 Jahren habe ich im Spastikerzentrum in München meine IHK-Ausbildung zur Bürokraft gemacht. Die Stadt und ihre offenen Menschen haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Es hat mir so gut gefallen, ich wollte hier bleiben. Meine Eltern meinten damals zu mir: „Du spinnst ja. Wie sollst du in München selbstständig leben?" Aber ich habe an mich geglaubt. Jetzt habe ich einen Job, eine eigene Wohnung und wohne mit meinem Ehepartner zusammen, den ich in meiner Ausbildung kennengelernt habe. Kurz gesagt: Ich habe ein gutes Leben in meiner Wahlheimat. 

Vor welchen Hürden stehen Sie manchmal – auch in der BayWa? 

Für mich persönlich sind die englischen Begriffe schwierig, fast jeder hier hat einen englischen Titel, kommt mir vor – und auch in Gesprächen wird so oft „Denglisch" gesprochen. Aber da arbeite ich mich ein. Die Arbeit im Konzern ist anspruchsvoll, natürlich will ich sehr seriös auftreten. Ich könnte mir vorstellen, dass es für viele andere Menschen in meiner Lage schwer in solch einem Job sein könnte. Einige sind durch ihre Behinderung auch verhaltensauffällig, sprechen sehr laut oder wissen nicht, wann sie vielleicht schweigen sollten. Man könnte also nicht einfach in ein wichtiges Meeting reinplatzen und stören. Ich denke, dass die Menschen, je nach Grad ihrer Behinderung, nach wie vor eine unterschiedliche Akzeptanz in der Gesellschaft erleben – leider.  

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?  

Mein größter Wunsch ist, bei einer großen Firma Fuß zu fassen, wenn auch als eine Art Leiharbeiterin. Dieses Ziel werde ich weiterverfolgen. Den ersten Schritt dafür hat mir die BayWa bereits ermöglicht.  

Von: Anna Hausmann